Toxische Positivität und ihre Auswirkungen

 

 

 

 

 

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„Gib jedem Tag die Chance, der schönste in deinem Leben zu werden“ Mark Twain mag durchaus ein positiver, optimistischer Mensch gewesen sein, aber mit diesem Satz ist er dann wohl doch ein wenig über das Ziel hinaus geschossen. Denn bei genauerer Betrachtung setzt seine Aussage unter Druck, wenn man jeden Tag aufs Neue dafür sorgen will/soll, dass der Tag der schönste im Leben wird.
…. und, realistisch betrachtet, wo ist da das Ende? Kann das auf Dauer funktionieren? Ich denke, eher nicht, mal abgesehen davon, dass wir alle immer auch mit einer Realität konfrontiert werden, die nun einmal nicht immer positiv ist. Nehmen wir doch nur aus aktuellem Anlass die Corona-Pandemie, die Klimakrise, den Ukraine-Krieg und die damit einher gegangene Inflation und Energiekrise, und die durch all diese großen Krisen ausgelösten kleinen Krisen, der „Krieg“ zwischen einzelnen Menschen, die Ellbogen-Mentalität, der Egoismus et cetera pp ……

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Hinzu kommen die eigenen Lebenserfahrungen, kommen die pränatalen und frühkindlichen Prägungen durch die Eltern, unter denen es bei den meisten Menschen auch negative gibt, die das Leben (mit) steuern. Das haben schon allein  die Kriege des letzten Jahrhunderts mit sich gebracht. Auch diesbezüglich sind Sätze, die implizieren, dass man die Vergangenheit hinter sich lassen und nach vorne schauen solle, vollkommen fehl am Platze und gehören meiner Erfahrung nach ebenfalls zu den toxisch positiven Aussagen.. Hier bin ich vielmehr bei William Faulkner und habe selbst den Satz formuliert „Wer glaubt, seiner Vergangenheit entfliehen zu können, darf sich nicht wundern, wenn sie ihn immer wieder einholt“. Man muss sich die Vergangenheit einmal richtig anschauen und sie, die negativen pränatalen und frühkindlichen Prägungen bereinigen! Dann und erst dann kann man die Vergangenheit in gewisser Weise loslassen, beeinflusst sie das persönliche Leben nicht mehr (weitere Informationen dazu).

Alles andere ist genauso Illusion wie zu meinen, man könne bzw. müsse tagtäglich und jede Minute glücklich und positiv sein.
…. und Sätze wie
‚“Es gibt Schlimmeres“, „Sieh es doch einfach positiv“, „Alles wird gut“ oder „Alles wird gut, und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht zu Ende“, „Denk nicht drüber nach“, „Alles geschieht aus einem bestimmten Grund“, „Mit der richtigen Einstellung kannst Du alles schaffen“, „Scheitern ist keine Option“ oder „Nicht aufgeben, Du schaffst das“, „Don`t worry, be happy“, „Anderen Menschen geht es viel schlechter als Dir“
sind alles andere als hilfreich, wenn ein Mensch Sorgen, Nöte, Kummer hat, setzen im Gegenteil seine Sorgen, seinen Kummer herab, setzen ihn unter Druck, weil sie teils implizieren, dass er selbst Schuld ist, weil es ihm z.B. an der richtigen Einstellung fehlt et cetera pp …… Solche Phrasen sollten unbedingt vermieden werden, wenn sich jemand mit Kummer, Sorgen, Nöten an Sie wendet. Hören Sie zu, zeigen Sie Empathie, suchen Sie gemeinsam nach Lösungen, aber kommen Sie nicht mit irgendwelchen dieser typischen Motivationsphrasen daher oder, umgekehrt, wenn Sie selbst es sind, der Sorgen, Nöte, Kummer hat sagen Sie Ihrem Gegenüber, dass er diese Phrasen gern für sich behalten kann, dass sie wenig hilfreich sind, und ziehen sich nötigenfalls zurück, vor allem, wenn es Ihrem Gegenüber an Verständnis und Empathie mangelt.
Toxische Positivität hilft weder dem Betroffenen noch einer Beziehung/Freundschaft, sondern schadet beidem vielmehr!
Denn der Betroffene wird sich, wenn er sich in seinen Sorgen, seinem Kummer, seinen Nöten nicht ernst genommen fühlt, zurückziehen, und wird die Freundschaft oder Beziehung unter Umständen dauerhaft beschädigt oder gar beendet!

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Eine noch ganz andere Dimension erlebt die toxische Positivität in den sozialen Medien wie Facebook, Twitter, Instagram, TikTok u.ä.

„Good Vibes only“
heißt das Motto in den sozialen Medien leider allzu häufig, egal, ob man gerade Liebeskummer, eine Lebenskrise oder einen Schicksalsschlag erlitten hat. Die Community hat darauf nur eine Antwort „Sei fröhlich, sei positiv und lächle“.

Doch das Motto „Je positiver, desto besser“ kann auch sehr gefährlich werden.
Immer höher, schneller, schöner, besser sein erzeugt Druck. Man darf sich nur von seiner besten, seiner positiven Seite zeigen, und alles negative hat in dieser schillernden Welt keinen Platz.

Das aber führt dazu, dass man sich irgendwann isoliert, weil man annimmt, mit seinen negativen Gefühlen allein zu sein, anders zu sein, weil alle anderen immer super drauf sind.
Das dauerhafte Verdrängen und Ausblenden von negativen Gefühlen macht uns jedoch früher oder später krank. Negative Gefühle sind auch wichtig. Sie zeigen uns an, dass etwas nicht in Ordnung ist und das wir hinschauen müssen.
Der Glücksforscher Prof. Dr. Alfred Bellebaum sagte „Das größte Glück ist im Unglück versteckt, und dort suchen die Wenigsten. Das Unglück und das Glück sind im Leben eine Balance, die dazu gehört, und Glück ist kein Dauerzustand.“
Unglücklich zu sein, Trauer zu empfinden gehört im Leben genauso dazu wie Lebensfreude und positive Gedanken. Wir alle erleben mehr oder weniger häufig Situationen, die uns ärgern, traurig machen o.ä. Das bringt, auch jenseits eigener negativer Prägungen, das Leben nun einmal mit sich. Wir treffen auf andere Menschen, hören/sehen Nachrichten aus aller Welt etc., und wenn wir die negativen Emotionen, die das ein oder andere auslöst, ignorieren, verdrängen, ausblenden, macht uns dies früher oder später krank.
Der Therapeut Dr. Torsten Büscher hat in einer Dokumentation zum Thema Toxische Positivität eine sehr schöne bildhafte Darstellung gefunden. Er sagte „Wenn man alle negativen Gedanken unter den Teppich kehrt, hat der Teppich irgendwann eine Beule, über die man stolpert.“, womit auch er aussagen wollte, dass dieses unter den Teppich kehren uns früher oder später krank macht, zu Schlafstörungen führt, zu Depressionen oder …….. .

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So kann ich Ihnen nur dringend raten, sich nicht von der Toxischen Positivität auf den Social Media Kanälen anstecken bzw. beeindrucken zu lassen. Glauben Sie mir, auch jene oder gerade jene, die sich dort als die immer positiven und glücklichen Menschen darstellen, sind es definitiv nicht, Man könnte auch von Fake sprechen, eine aufgesetzte Positivität, die weder diesen Menschen noch Ihnen gut tut. Gegen negative Prägungen und ihre Konsequenzen, gegen übermäßig viele Situationen und Menschen, die Sie aufgrund solcher Prägungen in Ihr Leben, Ihr näheres Umfeld  ziehen, können Sie etwas tun (siehe hier), denn die werden dann tatsächlich überflüssig, aber nicht gegen diese Welt, die nun einmal negative Emotionen auslösen kann. Diesen dürfen und müssen Sie Raum geben, sie zulassen, sie herauslassen, doch keinesfalls unterdrücken, unter den Teppich kehren. Wenn es Menschen und/oder Situationen sind, die Ihnen persönlich begegnen/passieren, dann haben Sie zudem die Möglichkeit und Wahl, den Menschen Paroli zu bieten und/oder ihnen künftig aus dem Weg zu gehen.

Nichts macht uns feiger und gewissenloser als der Wunsch, von allen Menschen geliebt zu werden.
Marie von Ebner-Eschenbach

Eine kluge Frau. Niemand kann von allen Menschen geliebt werden. Viel wichtiger ist es auch, sich selbst zu lieben. Ein Mensch, der sich selbst so annimmt, wie er ist, sich selbst liebt, benötigt die Anerkennung anderer Menschen nicht (mehr). Meist bekommt er aber sogar mehr davon als Andere, weil das Außen das Innen spiegelt, und wer sich selbst annimmt, wird auch von anderen angenommen, während „Good Vibes only“ eher das Gegenteil spiegelt. Die Menschen sind zu feige, ihr wahres Ich zu zeigen, aus Angst, die mangels gesunden Selbstbewusstseins oft dringend benötigte Anerkennung versagt zu bekommen.